Bundeshaushalt 2011: Koalition ohne jede Sparanstrengung
Zum Abschluss der Beratungen im Haushaltsausschuss ueber den Bundeshaushalt 2011 erklaert der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider:
Der erste eigene Bundeshaushalt dieser Koalition ist in vielerlei Hinsicht eine Enttaeuschung.
Die Koalition hat in den Haushaltsberatungen ueberhaupt nicht konsolidiert, sondern aufgesattelt. Deshalb sinkt die Nettokreditaufnahme jetzt gegenueber dem Regierungsentwurf noch nicht einmal um den Betrag der konjunkturellen Haushaltsverbesserungen von 10,3 Milliarden Euro, sondern nur um 8,9 Milliarden Euro.
Bei der Umsetzung der Sparbeschluesse der Bundesregierung vom Juni 2010 werden die von vielen gesellschaftlichen Akteuren kritisierten unsozialen Kuerzungen zementiert anstatt sie zu korrigieren. Damit wird die gesellschaftliche Akzeptanz fuer die notwendige Konsolidierung zerstoert.
Fuer die Investitionen fehlt es dem Haushalt an einem Gesamtkonzept, es werden kaum Akzente gesetzt.
Trotz der konjunkturellen Mehreinnahmen wird die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP den verfassungsrechtlichen Vorgaben der neuen Schuldenregel wegen fehlender Sparanstrengungen nicht gerecht, vielmehr wird die Glaubwuerdigkeit und Effektivitaet der neuen Regel gleich im ersten Jahr ihrer Anwendung ausgehoehlt.
Mit ihrem Haushaltsgebaren untergraebt die Koalition auch die Glaubwuerdigkeit ihrer eigenen Forderungen gegenueber den europaeischen Mitgliedsstaaten zu staerkeren Konsolidierungsanstrengungen.
Beispielhaft fuer die soziale Schieflage der Massnahmen sind die Kuerzungen bei den Arbeitslosen, insbesondere mit kleinen Kindern, sowie bei den sozialinvestiven Programmen fuer den Stadtumbau, die sogar noch ausgeweitet wurden.
Die Ruecknahme der noch im Sommer geplanten Wohngeldkuerzung ueber die Streichung des Heizkostenzuschusses hinaus wird von der Koalition nun sogar als Erhoehung verkauft.
Die Umsetzung des sogenannten 12-Milliarden-Euro-Programms fuer Bildung und Forschung laeuft auch im zweiten Haushalt immer noch schleppend an. Ein Gesamtkonzept fuer die Legislaturperiode kann die Bundesregierung nicht vorlegen. Insbesondere die Ankuendigung fuer die zusaetzliche Bereitstellung dieser Mittel wird in dem angekuendigten Umfang nicht erbracht werden koennen, da bereits im Haushalt 2011 es zu Substitutionseffekten, beispielsweise im Auswaertigen Amt, kommt.
Die Parallelfoerderung fuer den Ausbau der Elektromobilitaet aus vier Fachressorts ist ein weiterer Beleg fuer diese Konzeptionslosigkeit.
Regierung und Koalition verweigern eine ehrliche Bestimmung der durch das Grundgesetz vorgeschriebenen Reduzierung der Neuverschuldung. Die aktuelle Haushaltssituation ist zur Grundlage fuer die Feststellung des strukturellen Defizits im Jahr 2010 zu machen und bei der Aufstellung des Bundeshaushalts 2012 und des Finanzplans bis 2015 fuer die Bestimmung der zulaessigen Kreditaufnahme und des weiteren Konsolidierungspfades zu beruecksichtigen. Schon jetzt ist absehbar, dass sich die Haushaltssituation in 2010 im zweiten Halbjahr nochmals erheblich verbessert hat und sich das strukturelle Defizit entsprechend weiter vermindern wird. Das Bundesfinanzministerium geht in seinem letzten Monatsbericht von einer voraussichtlichen Neuverschuldung im laufenden Jahr zwischen 50 und 55 Milliarden Euro aus. Folgerichtig ist die fuer den Konsolidierungspfad und -umfang massgebliche Groesse des strukturellen Defizits 2010 nach Geist und Sinn der gesetzlichen Regelung nochmals zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Bundeshaushalts 2011 zu aktualisieren.
Es waere willkuerlich und entbehrte jeder Logik, wenn man die bessere konjunkturelle Entwicklung bei der Aufstellung des Haushaltes beruecksichtigen wuerde, beim Beschluss ueber den Haushalt durch das Parlament jedoch nicht. Diese zwangslaeufige Aktualisierung muss sich vielmehr noch im zu verabschiedenden Bundeshaushalt fuer 2011 hinsichtlich der zulaessigen Kreditobergrenzen abbilden. Das entsprechend niedrigere strukturelle Defizit wird die in 2012 und den Folgejahren noch erlaubte Neuverschuldung deutlich absenken, voraussichtlich in einem Umfang von mehr als 27 Milliarden Euro bis 2014.
Die nicht nur von der SPD, sondern auch vom Bundesrechnungshof, von der Bundesbank und vom Sachverstaendigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geforderte aktualisierte Neuberechnung fuer die Schuldenbremse ergaebe eine Schuldenobergrenze fuer 2011 von 45 Milliarden Euro. Die Koalition verletzt diese Grenze um 3,4 Milliarden Euro.
Es draengt sich der Verdacht auf, mit diesem Spielraum wollen der Bundesfinanzminister und die Koalition einen zweiten Wahlbetrug mit dem gleichen Thema wie bei der letzten Bundestagswahl vorzubereiten.
Die SPD steht ohne Abstriche zum Geist und Inhalt der neuen verfassungsrechtlichen Vorgaben und hat durch ihre Antraege belegt, dass die Einhaltung der aktualisierten Verschuldungsgrenze moeglich ist.
Zur Gewaehrleistung einer nachhaltigen, wachstumsorientierten Konsolidierungspolitik sind die folgenden Massnahmen unverzueglich umzusetzen:
1. Die Massnahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes mit Ausnahme der Erhoehung des Kindergelds und der Leistungen zur steuerlichen Entlastung und Foerderung der Familien mit Kindern und zur besonderen Beruecksichtigung der Aufwendungen der Familien fuer die Betreuung und Erziehung oder Ausbildung der Kinder und des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sind zurueckzunehmen. Daraus resultieren Mehreinnahmen des Bundes von 1,8 Milliarden Euro jaehrlich. Zudem profitieren Kommunen und Laender.
2. Das Kernbrennstoffsteuersteuergesetz ist hinsichtlich der Bemessungsgrundlage und des Geltungszeitraums im Sinne des Antrags der SPD im Haushaltsausschuss vom 21. Oktober 2010 neu zu gestalten. Daraus resultieren ueber die 2,3 Milliarden Euro jaehrlich hinaus, die bislang zur Haushaltskonsolidierung vorgesehen sind, weitere 1,2 Milliarden Euro, die zur Verstaerkung der klimaschuetzenden Investitionsprogramme, des Gebaeudesanierungsprogramms, aber auch zur Haushaltskonsolidierung zu verwenden sind. Aus dem Aufkommen sind 300 Millionen Euro zur Kompensation von Steuermindereinnahmen aufgrund dieses Gesetzes den Kommunen durch eine Erhoehung der Bundesbeteiligung bei der Grundsicherung im Alter zuzufuehren.
3. Es ist umgehend ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gemaess des Antrags der SPD-Fraktion (Bundestagsdrucksache 17/1408) einzufuehren, der zu substanziellen Mehreinnahmen und Minderausgaben fuehrt, und zwar gesamtstaatlich jeweils bei der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Bundesagentur fuer Arbeit, aber auch beim Bund durch Minderausgaben bei der Grundsicherung fuer Arbeitsuchende vor allem durch eine sich reduzierende Zahl von sogenannten Aufstockern, aber auch ueber Steuermehreinnahmen.
Diese Mehreinnahmen und Minderausgaben summieren sich fuer den Bund auf etwa 3,5 Milliarden Euro.
4. Mittelfristig ist die Einfuehrung einer Bundessteuerverwaltung anzustreben, die gemaess der Auffassung des Bundesrechnungshofs jaehrliche Mehreinnahmen fuer den Bund von bis zu 12 Milliarden Euro zur Folge haette. Kurzfristig ist dies fuer 2011 durch eine Verbesserung und Optimierung des (einheitlichen) Steuervollzugs durch die Laender unter anderem mithilfe des Instruments der Ausweitung von Betriebspruefungen einzuleiten. Daraus resultieren Mehreinnahmen fuer den Bund von etwa 3,7 Milliarden Euro fuer 2011 und jeweils aufsteigend in den Folgejahren.
5. Der Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer ist von 42 Prozent auf 49 Prozent zu erhoehen, dafuer aber erst ab einem zu versteuernden Bruttojahreseinkommen von 100.000 Euro fuer Ledige und 200.000 Euro fuer Verheiratete. Daraus resultieren mindestens Mehreinnahmen des Bundes von etwa 2,8 Milliarden Euro.
Damit senkt die SPD die Neuverschuldung auf 42,3 Milliarden Euro und liegt damit im Gegensatz zur Koalition nicht ueber, sondern deutlich unter der Schuldenobergrenze von 45 Milliarden Euro.
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