Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern und Hessen zu gemeinsamer Kabinettssitzung in Stuttgart

Wiesbaden (pressrelations) –

Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern und Hessen zu gemeinsamer Kabinettssitzung in Stuttgart


Mappus, Seehofer, Bouffier: Länderfinanzausgleich in aktueller Ausgestaltung leistungsfeindlich und ungerecht / Baden-Württemberg, Hessen und Bayern streben als Haupt-Leistungsträger Klage in Karlsruhe an

Südländer verständigen sich auf Überprüfung der Bahn-Regionalisierungsmittel und beschließen Maßnahmen zur gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013

„Baden-Württemberg, Bayern und Hessen stehen zu einem solidarischen Föderalismus. Transfersysteme haben in gewissem Umfang innerhalb eines Bundesstaates durchaus ihre Berechtigung. Wir haben daher nicht nur in der Föderalismuskommission II Verantwortung übernommen, sondern sind auch weiterhin bereit, hoch verschuldeten und finanzschwachen Ländern wirksame Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten“, erklärten die Ministerpräsidenten aus Baden-Württemberg, Bayern und Hessen, Stefan Mappus, Horst Seehofer und Volker Bouffier, im Anschluss an ein Treffen der drei Landesregierungen am Montag (24. Januar 2011) in Stuttgart. „Ein System, das jedoch keinerlei Anreize bietet, den Nehmerstatus zu überwinden und bei dem sich Nehmerländer Dinge leisten können, die sich die zahlenden Länder nicht leisten können, ist für uns schlicht inakzeptabel.“ Die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs war Kernthema der ersten gemeinsamen Kabinettssitzung der Südländer, die auf Einladung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten am Montag im Neuen Schloss stattfand.

Ausgleichssystem muss Anreize zur Finanzkraftsteigerung der Nehmerländer bieten

„Wir können es nicht mehr verantworten, dass im Wesentlichen drei Geberländer Leistungen für die Bürger anderer Länder finanzieren, die sie selbst ihren
eigenen Bürgern mit Blick auf ihre Haushaltskonsolidierung nicht bieten können“, so Mappus, Seehofer und Bouffier. Der Finanzausgleich stelle vor dem Hintergrund der haushalts- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen für die wirtschaftlich stärkeren Länder eine enorme Belastung dar. Zudem biete das derzeitige Ausgleichssystem nicht genügend Anreize für die Länder, durch solide Haushaltsführung die eigene Finanzkraft zu steigern. „Obwohl durch den gesamten bundesstaatlichen Finanzausgleich jährlich viele Milliarden Euro umverteilt werden, ist es bislang nur Bayern gelungen, dauerhaft vom Nehmerland zum Geberland zu werden“, unterstrich Ministerpräsident Mappus. Sinnvoll und zukunftsweisend sei ein Ausgleichssystem aber nur dann, wenn es Anreize dafür setze, dass mehr Empfängerländer aus ihrer Rolle herauskommen und finanziell unabhängiger von den Leistungen anderer Länder würden. Mappus: „Dieses System muss einfach gerechter werden. Das sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Solidarisches Handeln darf keine Einbahnstraße sein.“

Ziel der Initiative der drei Landesregierungen sei es daher, den Finanzausgleich stärker leistungsorientiert und auch im Interesse der Empfängerländer effizienter zu gestalten, erklärte Ministerpräsident Seehofer: „Der Länderfinanzausgleich muss aus meiner Sicht deutlich motivierender gestaltet werden, Leistung muss sich lohnen. Dieser Grundsatz gilt auch im Wettbewerb unter den Ländern. Wir erwarten von den Empfängerländern, dass sie mit Mitteln der Steuerzahler aus den Geberländern verantwortungsbewusst umgehen und die Zahlungen dazu nutzen, die strukturelle Schieflage ihrer Haushalte zu überwinden, statt das Geld aus den Geberländern als dauerhafte und willkommene Finanzspritze für ihre verschuldeten Staatshaushalte zu betrachten.“

Ministerpräsident Volker Bouffier appellierte daran, die verkrusteten und für alle Seiten wenig zufriedenstellenden Strukturen aufzubrechen: „Wir fordern die Nehmerländer nochmals auf, ihre Position zu überdenken und selbst Vorschläge für eine gerechtere und effizientere Verteilung der Steuereinnahmen zu machen.“ Das liege in ihrem eigenen Interesse: „Ziel jedes Landes muss es schließlich sein, aus eigener Kraft seine Haushaltsmittel zu erwirtschaften.“ Die Solidarität der von ihrer Wirtschafts- und Einkommensstruktur besser gestellten Regionen sei davon unbenommen. „Eine auf alle Zeiten festzementierte Alimentation ärmerer Länder ist aber weder im Sinne unseres föderalen Staatssystems noch im Sinne unserer auf ausgewogene Wohlstandsverteilung bedachten Marktwirtschaft“, sagte Bouffier.

Gutachten belegt: Aktuelles Ausgleichssystem nicht verfassungsgemäß

Bestärkt werden die drei Landesregierungen durch ein Gutachten, das sie bei Professor Dr. Christian Seiler, Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht, Finanz- und Steuerrecht an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, in Auftrag gegeben haben. „Unser Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass das aktuelle Ausgleichssystem erhebliche verfassungsrechtlich relevante Defizite aufweist. Deshalb ist unser Vorstoß legitim, richtig und notwendig. Wir sehen uns gut gerüstet für den Gang nach Karlsruhe“, so die drei Minister-präsidenten.

Mit dem Entwurf einer gemeinsamen Antragsschrift für das Normenkontroll-verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht soll neben Prof. Dr. Seiler auch Prof. Dr. Hanno Kube, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Steuerrecht an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, beauftragt werden. Prof. Dr. Kube hatte im Auftrag der drei FDP-Landtagsfraktionen aus Baden-Württemberg, Bayern und Hessen ein Gutachten zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Finanzausgleichs verfasst, das zu ähnlichen Ergebnissen kommt.

Einem konstruktiven Dialog mit den Nehmerländern werden sich die drei Länder aber nicht verschließen: „Wir sind jederzeit bereit, Gespräche mit dem Ziel einer verfassungsgemäßen Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs mit den übrigen Ländern aufzunehmen,“ sagten Mappus, Seehofer und Bouffier. Sollte sich kein Einvernehmen über die notwendigen Änderungen des Länderfinanz-ausgleichs erreichen lassen, werden die drei Landesregierungen das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anrufen.

Überprüfung der Regionalisierungsmittel beschlossen

Ein weiterer Beratungspunkt waren die vom Bund den Ländern zur Verfügung gestellten so genannten Regionalisierungsmittel über die der Schienenpersonen-nahverkehr in den Ländern gefördert wird. Insgesamt 6,98 Milliarden Euro stellt der Bund dafür in diesem Jahr zur Verfügung. Die Mittel sind seit 2009 mit einer jährlichen Erhöhung um 1,5 Prozent dynamisiert. Nach einhelliger Auffassung der Länder reicht die Höhe der Dynamisierung der Mittel nicht aus, um die steigenden Kosten insbesondere bei Energie- und Infrastruktur-benutzungspreisen aufzufangen. „Folge wäre, dass die Angebote weiter ausgedünnt werden müssten. Dies liefe jedoch unserer gemeinsamen Zielsetzung entgegen, den Schienenpersonennahverkehr zu stärken und die Menschen von der Straße auf die Bahn zu bringen“, erklärte Ministerpräsident Mappus. Mit Blick auf die 2015 ohnehin geplante Revision der Regionalisierungsmittel werden Baden-Württemberg, Hessen und Bayern den steigenden Bedarf für einen zukunftsträchtigen und nachhaltigen Schienenpersonennahverkehr darstellen. Die Länder werden dazu eine Arbeitsgruppe einrichten.

Südlander für starke EU-Agrarpolitik nach 2013

Bayern, Baden-Württemberg und Hessen wollen bei den anstehenden Verhandlungen zur Ausgestaltung der Europäischen Agrarpolitik nach 2013 eng zusammenarbeiten: „Die Weichenstellungen in den kommenden Wochen und Monaten sind entscheidend für die Zukunft unserer Landwirte. Wir wollen daher intensiv für eine starke und finanziell gut ausgestattete Agrarpolitik kämpfen.
Nur so können die Landwirte die großen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen der Zukunft meistern“, erklärten Mappus, Seehofer und Bouffier.

Der Erhalt der bisherigen sogenannten Zwei-Säulen-Struktur gilt derzeit als gesichert. Neben der finanziellen Mittelausstattung muss die künftige EU-Agrarpolitik nach den Vorstellungen der drei Ministerpräsidenten auch den Erhalt eines wettbewerbsfähigen, dynamischen und nachhaltigen Landwirtschafts- und Forstsektors und eines vitalen ländlichen Raums sichern. Dafür soll ein angemessenes Agrarbudget auf der Basis der bisherigen Mittelausstattung garantiert werden. Die Regierungschefs fordern die Einführung einer „Kleinbetriebsregelung“, mit der die Leistungen von kleinen Betrieben, insbesondere in strukturell schwierigen Gebieten, wie Bergregionen, honoriert werden. In der 2. Säule soll vor allem die Förderung der benachteiligten Gebiete bestehen bleiben, um den Erhalt der regionalen Gestaltungsspielräume zu sichern. Die Entscheidungen über die künftige Agrarpolitik wollen Rat und Europapolitik zwar erst 2012 fällen. Nach den Worten der drei Ministerpräsidenten ist aber rasches Handeln auf allen Ebenen notwendig, damit diese Ziele in der künftigen Agrarpolitik verankert werden.

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