„Leichte“ Schwangerschaft minimiert kindliches Übergewicht

Immer mehr schwangere Frauen nehmen zu viel zu – PEPO-Studienergebnisse ermöglichen frühe Vorbeugung von Übergewicht beim Kind

München, den 28.02.2014 – Eine übermäßige Gewichtszunahme von Müttern in der Schwangerschaft hat Folgen für die Entwicklung des Kindes. Die rechtzeitige Normalisierung der Gewichtszunahme von Schwangeren kann sich jedoch günstig auf das kindliche Übergewichtsrisiko auswirken. Das konnte nun eine Forschergruppe um PD Dr. Regina Ensenauer, Oberärztin und Leiterin der Arbeitsgruppe Molekulare Ernährung im Dr. von Haunerschen Kinderspital des Klinikums der Universität München feststellen. Die Ergebnisse stammen aus der im Rahmen des Kompetenznetzes Adipositas durchgeführten PEPO-Studie („Perinatale Prävention der kindlichen Adipositas“), die in Zusammenarbeit mit  Gesundheitsämtern in Bayern durchgeführt wurde.

„Der Anteil an Frauen mit einer übermäßigen Gewichtszunahme während der Schwangerschaft nimmt stetig zu“, weiß Ensenauer. „Daraus ergeben sich nicht nur Folgen für die Schwangeren, sondern auch für deren Kinder.“
Wie die PEPO-Studie zeigen konnte, erhöht sich durch eine unangemessen hohe Gewichtszunahme in der Schwangerschaft auch das Risiko für späteres Übergewicht und Adipositas bei den Kindern.

Individuelle Präventionskonzepte können helfen

Um die Auswirkungen der Gewichtszunahme der Mutter während der Schwangerschaft auf das Kind genauer zu untersuchen, wurden im Rahmen der Studie Daten zum Körpergewicht von insgesamt 6837 Kindern zwischen fünf und sechs Jahren bei Schuleingang erhoben. Das PEPO-Team analysierte diese zusammen mit Daten aus dem Mutterpass und dem Kinderuntersuchungsheft. Die Auswertung ergab, dass mehr als die Hälfte aller Mütter (53,6 Prozent) die 2009 veröffentlichten Empfehlungen (siehe Tabelle) des Institute of Medicine (IOM) bezüglich der Obergrenzen für eine adäquate Gewichtszunahme während der Schwangerschaft überschritten hatte. Bei den Müttern mit Übergewicht oder Adipositas bereits zu Beginn der Schwangerschaft waren es sogar etwa zwei Drittel.

BMI vor der Schwangerschaft: < 18,5 kg/m² = untergewichtig. Empfohlene Gewichtszunahme während Schwangerschaft: 12,5 – 18,0 kg. Empfohlene Gewichtszunahme 2. und 3. Schwangerschaftsdrittel: 0,51 (0,44-0,58) kg/Woche.

BMI vor der Schwangerschaft: 18,5 – 24,9 kg/m² = normalgewichtig. Empfohlene Gewichtszunahme während Schwangerschaft: 11,5 – 16,0 kg. Empfohlene Gewichtszunahme 2. und 3. Schwangerschaftsdrittel: 0,42 (0,35-0,50) kg/Woche.

BMI vor der Schwangerschaft: 25,0 – 29,9 kg/m² = übergewichtig. Empfohlene Gewichtszunahme während Schwangerschaft: 7,0 – 11,5 kg. Empfohlene Gewichtszunahme 2. und 3. Schwangerschaftsdrittel: 0,28 (0,23-0,33) kg/Woche.

BMI vor der Schwangerschaft: ≥ 30,0 kg/m² = adipös. Empfohlene Gewichtszunahme während Schwangerschaft: 5,0 – 9,0 kg. Empfohlene Gewichtszunahme 2. und 3. Schwangerschaftsdrittel: 0,22 (0,17-0,27) kg/Woche.

(Quelle: Institute of Medicine (IOM), 2009; BMI = Body Mass Index)

Anhand von Body Mass Index (BMI) und Taillenumfang konnte schließlich festgestellt werden, dass unter den Schuleingangskindern, deren Mütter in der Schwangerschaft zu viel Gewicht zugenommen hatten, fast dreizehn Prozent übergewichtig waren und über siebzehn Prozent einen erhöhten Taillenumfang hatten. „Es ist naheliegend, dass im Sinne der ‚fötalen Programmierung‘ eine vermehrte Bereitstellung mütterlicher Nährstoffe möglicherweise zu einer Fehlanpassung des Feten mit einer Prägung für ein erhöhtes Adipositasrisiko führt“, erklärt Ensenauer. Ein Trugschluss sei es dagegen, anzunehmen, dass eine – entsprechend der IOM-Richtlinien – zu niedrige Gewichtszunahme in der Schwangerschaft einen vorbeugenden Effekt auf das Gewicht des Kindes hätte, also zu meinen, ein Kind habe ein geringeres Risiko, übergewichtig zu werden, wenn man als Schwangere verhältnismäßig zu wenig an Gewicht zulege. „Dieser Zusammenhang konnte für keine der mütterlichen BMIGruppen festgestellt werden“, sagt Ensenauer.

Eine weitere Analyse der PEPO-Daten zeigt auf, dass eine übermäßige Gewichtszunahme, insbesondere bei übergewichtigen und adipösen Müttern, bereits im zweiten Schwangerschaftsdrittel vorhergesagt werden kann. „Es können also schon zwischen dem dritten und sechsten Schwangerschaftsmonat entsprechende Präventionsmaßnahmen getroffen werden, um negativen Auswirkungen auf das Gewicht des Kindes vorzubeugen“, so Ensenauer. Das Risiko für späteres Übergewicht des Kindes kann deutlich reduziert werden, wenn es der Mutter noch in den letzten drei Monaten vor der Geburt gelingt, eine weitere übermäßige Gewichtszunahme zu vermeiden.

Gesund durch die Schwangerschaft

Doch was können werdende Mütter tun, um mit einer angemessenen Gewichtszunahme durch die Schwangerschaft zu kommen? Der Mehrbedarf an Energie in der Schwangerschaft liegt ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel bis zum Ende bei lediglich 250 Kilokalorien pro Tag. Diese stecken zum Beispiel in etwa 200 Gramm Joghurt und einem mittelgroßen Apfel. Wöchentliches Wiegen dient als Selbstkontrolle. Ensenauer empfiehlt, auf eine besonders gesunde und ausgewogene Ernährung zu achten, die reich an Vitaminen, Spurenelementen, Eiweiß und komplexen Kohlenhydraten ist. Ideal für Mutter und Kind sei es, Übergewicht bereits vor der Schwangerschaft abzubauen. „Während der Schwangerschaft sollten keine Diäten gemacht werden“, warnt die Ernährungsmedizinerin und Kinderärztin. Auch Bewegung sei wichtig. Geeignete Sportarten für Schwangere sind Schwimmen und Spazierengehen.

Die bisherigen Ergebnisse aus der PEPO-Studie stützen die Empfehlungen zur adäquaten Gewichtszunahme in der Schwangerschaft. Ziel ist es, durch die Betrachtung der Gewichtszunahme in den einzelnen Schwangerschaftsdritteln rechtzeitig ein Präventionskonzept für Schwangere zur Senkung des Risikos für späteres kindliches Übergewicht zu etablieren.

Ensenauer R, Chmitorz A, Riedel C, Fenske N, Hauner H, Nennstiel-Ratzel U, von Kries R. Effects of suboptimal or excessive gestational weight gain on childhood overweight and abdominal adiposity: results from a retrospective cohort study. Int J Obes 2013; 37(4): 505-12

von Kries R, Chmitorz A, Rasmussen KM, Bayer O, Ensenauer R. Late pregnancy reversal from excessive gestational weight gain lowers risk of childhood overweight – a cohort study. Obesity 2013; 21(6): 1232-7

Chmitorz A, von Kries R, Rasmussen KM, Nehring I, Ensenauer R. Do trimester-specific cut-offs predict whether women ultimately stay within the Institute of Medicine/National Research Council guidelines for gestational weight gain? Findings of a retrospective cohort study. Am J Clin Nutr 2012; 95(6): 1432-7

von Kries R, Ensenauer R, Beyerlein A, Amann-Gassner U, Hauner H, Rosario AS. Gestational weight gain and overweight in children: Results from the cross-sectional German KiGGS study. Int J Pediatr Obes 2011; 6(1): 45-52