LINDNER-Interview für das „Handelsblatt“
Berlin. FDP-Generalsekretär CHRISTIAN LINDNER gab dem „Handelsblatt“ (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten SVEN AFHÜPPE und THOMAS SIGMUND:
Frage: Herr Lindner, vertrauen Sie Ihrem Koalitionspartner eigentlich noch?
LINDNER: Was meinen Sie genau?
Frage: Aus der Union kommen fast jeden Tag neue Vorschläge in der Steuerpolitik. Wie kann man da noch verlässlich zusammenarbeiten?
LINDNER: Es ist bedauerlich, dass die Union keine Linie in der Steuerpolitik hat. Die Mittelstandsvereinigung will eine Flat-Tax, Saarlands Ministerpräsident fordert einen höheren Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer. Die CSU wollte vor zwei Wochen noch Steuerentlastungen für 2012, die der bayerische Ministerpräsident jetzt wieder ausschließt. Ich empfehle unserem Koalitionspartner einfach eine Orientierung am Koalitionsvertrag.
Frage: Den Widerstand der Kanzlerin und des Finanzministers gegen Steuersenkungen haben Sie vergessen.
LINDNER: Das trägt zur Komplexität bei. Allerdings will auch die FDP nach den Entlastungen zum Anfang dieses Jahres jetzt erst raus aus den Schulden. Dadurch können wir uns dann mittelfristig eine weitere Entlastung für die Mitte erarbeiten.
Frage: Und wie schätzen Sie die Rolle des Finanzministers ein?
LINDNER: Von den bisherigen Vorschlägen, die Herr Schäuble zur Reform der Gemeindefinanzen und zur Steuervereinfachung gemacht hat, bin ich enttäuscht. Das betrifft auch die Vereinfachung der Mehrwertsteuer. Der Finanzminister könnte sich der Unterstützung der FDP für mutige Schritte sicher sein. Er sollte uns aber auch ernst nehmen, wenn er Mehrheiten für seine Projekte sichern will.
Frage: Was konkret fordert die FDP?
LINDNER: Der Bundesfinanzminister muss endlich die Kommission zur Reform der Mehrwertsteuer auf den Weg bringen. Zur Vereinfachung der Einkommensteuer sollte er zügig einen Gesetzentwurf vorlegen. Ich bin aber dafür, dass wir über seine Ideen hinaus noch weitere Möglichkeiten finden. Die mit der Steuervereinfachung verbundenen Einnahmeausfälle müssen wir allerdings in Grenzen halten. Dafür sind momentan nur 500 Millionen Euro geplant.
Frage: Ist das die Absage der FDP an weitere Steuerentlastungen?
LINDNER: Nein. Wir sollten nur jetzt keine Debatte über konkrete Volumina und Termine für eine zusätzliche Steuerentlastung führen. Wir halten an diesem Ziel fest, aber wir haben der Haushaltskonsolidierung Priorität eingeräumt. An der Konjunktur und den Fortschritte bei der Entschuldung sollten wir uns orientieren.
Frage: Wirtschaftsminister Brüderle hat aber bereits das Jahr 2012 für entsprechende Beschlüsse ins Visier genommen.
LINDNER: Im Lauf der Legislaturperiode wird es sinnvoll und möglich sein, die bisher gute konjunkturelle Entwicklung mit zusätzlichen Steuererleichterungen für den Mittelstand und die Bürger zu unterstützen. Bis dahin sind wir gut beraten, eine wachstumsorientierte Politik zu fahren, die uns die Spielräume für solche Entscheidungen eröffnen.