Mehr an die Wärme denken
Was liegt an bei Mikro-KWK? Wie koordinieren wir die vielfältigen Technologien für dezentrale Kraftwerke? Welche Ansprüche an Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) gibt es? In Stuttgart haben sich am 22. und 23. November 50 Forscher in 15 Technikvorträgen vernetzt und aktuelle Forschungsergebnisse ausgetauscht. Von der Mikrogasturbine bis zum Wärmeübertrager, alle suchen nach höheren elektrischen Wirkungsgraden und niedrigeren Kostenstrukturen.
Vor dem Hintergrund des gerade entstehenden 6. Energieforschungsprogramms veranstalteten das Bundeswirtschaftsministerium, der Projektträger Jülich und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik (DLR) ein Statusseminar zum Thema „Perspektiven der KWK-Technologie“. Gastgeber war Professor Manfred Aigner vom DLR an der Stuttgarter Universität: „Die Großkraftwerkszene arbeitet sehr strukturiert. Wir wollen aber auch die Vielfalt der dezentralen Kraftwerke einfangen.“
Potenziale durch Flexibilität
Mikro-KWK in Einfamilienhäusern ist rentabel, wenn thermische und elektrische Speicher eingesetzt werden. Das stellte Professor Münch für den Energieversorger EnBW fest. Mit 3 Prozent mehr Wirkungsgrad in der stromerzeugenden Heizung ließe sich hier im Jahr bei einem typischen Einfamilienhaus rund 1000 Euro mehr an Rendite realisieren. Der Geschäftsführer der Stadtwerke Rosenheim, Dr. Götz Brühl, betonte die Potenziale der Fernwärme bei marktwirtschaftlichem Herangehen. KWK könne einen rentablen Beitrag zur Regelenergie leisten, wenn sie nicht nur nach Wärme, sondern auch nach den Strompreisen am Spotmarkt geführt werde. Für das Contracting-Unternehmen KWA forderte Anton Lutz von der Forschung die Organic Rankine Cycle (ORC)-Technologie für neue Leistungsbereiche zu entwickeln.
Mikrogasturbine ist praxiserprobt
Bei der Mikrogasturbine (MGT) lassen die Wissenschaftler zahlreiche Praxiserfahrungen in die Forschung einfließen. Axel Widenhorn vom DLR in Stuttgart will mit keramischen Heißgaskomponenten die Temperatur und den Wirkungsgrad erhöhen. „MGT eignen sich hervorragend für Biogas“, meinte Dr. Bernd Krautkremer vom Fraunhofer Institut in Kassel. Bei nur 25 Prozent elektrischem Wirkungsgrad sei aber das Wärmekonzept entscheidend. David Eyler vom Europäischen Institut für Energieforschung in Karlsruhe brachte viel Projekterfahrung aus Frankreich ein. Mikrogasturbinen könnten sich mit Motoren ergänzen. Ein gekoppelter Aufbau sorge für einen optimierten Betrieb.
Motorentechnik mit unkonventionellen Ansätzen
Sowohl in ersten Konzepten als auch in Feldversuchen versprechen neue Motoren bessere Wirkungsgrade. Ralf Bey baut mit der Entwicklungsfirma Meta in Herzogenrath einen Motor mit 33 Kolbenscheiben, der durch Überexpansion den Wirkungsgrad auf bis zu 50 Prozent führen soll. Professor Peter Eilts von der TU Braunschweig untersucht Konzepte mit alternativen Kolbenführungen für hohe Brennstoffflexibilität. Bessere Wirkungsgrade im Teillastbereich will Dr. Markus Gräf vom UMC Stuttgart bis 2013 mit einem Freikolbenlineargenerator verwirklichen, der ohne Kurbelwelle mit variablen Hubraum und variabler Verdichtung arbeitet. Der Stirling-Motor des Heizungsbauers Viessmann steht kurz vor der Markteinführung. Jaenette Liehr gibt für das wartungsfreie Mikro-KWK-Gerät 96 Prozent Gesamtwirkungsgrad an. Es kombiniert für Einfamilienhäuser einen Freikolbenstirling mit einem Spitzenlastbrenner in kompakter Bauweise.
Flexible organische Arbeitsmittel
Der ORC ist zunehmend beliebt zur Stromerzeugung mit niedrigen Temperaturniveaus (100 bis 400 °C). „Biomasse-Heizkraftwerke haben einen Boom ausgelöst“, sagt Jochen Fink vom Maschinenbauer Dürr. Bei der Nutzung von Abwärme durch verschiedene organische Arbeitsmittel seien nicht nur in der Industrie niedrige spezifische Kosten der Anlagen wichtiger als der Wirkungsgrad zwischen 10 und 20 Prozent. Michael Schmidt entwickelt für Devetec in Saarbrücken einen Motor für die Dampfexpansion im ORC-Prozess mit einem doppelt so hohen Wirkungsgrad wie eine ORC-Turbine. Für Dr. Dariusz Szablinski von den Pfalzwerken in Ludwigshafen ist die richtige Dimensionierung des Wärmetauschers nicht nur in Geothermie-Anlagen wichtig, um abhängig vom wärmetragenden Arbeitsmittel die optimale Rücklauftemperatur zu finden.
Neue Werkstoffe für Wärmeübertrager
Optimaler Wärmeaustausch ist der Schlüssel für effektive Wärmespeicherung. Wärmespeicher seien künftig unverzichtbar für die Wirtschaftlichkeit und die Netzintegration von KWK-Strom. So werde KWK vom Problem fürs Netz zur Lösung fürs Netz, meint Dr. Stefan Zunft (DLR). Er entwickelt keramische Wärmeübertrager für den Hochtemperatureinsatz bis 1250 °C ? zum Beispiel für die effiziente Verstromung von Biomasse in Gasturbinenprozessen. Für Professor Reiner Numrich von der Universität Paderborn sind Wärmeübertrager immer Unikate. Auch die bewährten Rohrbündel müsse man anlagenspezifisch durchrechnen. Bei neu entwickelten Drallrohren hat er gegenüber Glattrohren einen um 20 Prozent besseren Wärmeübergang gemessen. Allein dies könne den Wirkungsgrad eines Kraftwerks um 0,1 Prozent heben. Bei vielen Jahrzehnten Laufzeit der Kraftwerke spart auch diese Wirkungsgradsteigerung gewaltige Mengen an Kohlendioxid-Emissionen durch Steigerung der Effizienz.
Forschungsbedarf definiert
Für die Vielfalt der KWK-Anlagen gibt es keine Standardlösungen. Darin sind sich Forscher und die Förderer beim Projektträger Jülich und im Bundeswirtschaftsministerium einig. Gemeinsame Ziele der KWK-Forschung sind niedrigere Anlagenkosten und höhere elektrische Wirkungsgrade. Hier müsse man Nachteile gegenüber großen Kombikraftwerken (GuD) wettmachen. Dagegen weisen hohe Gesamtnutzungsgrade, Wartungsfreiheit und Brennstoffflexibilität in die Zukunft der KWK. Der Schwerpunkt der finanziellen staatlichen Förderung lag bislang bei der Stromeinspeisung. Mittel, um die Nutzung der Wärme zu unterstützen, fielen im Vergleich dazu gering aus. Laut KWK-Forschung sind Wissenschaft und Politik gefordert dies zu ändern.