NIEBEL-Interview für die „Wirtschaftswoche“ (14.02.2011)
Berlin. Das FDP-Bundesvorstandsmitglied Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab
der „Wirtschaftswoche“ (aktuelle Ausgabe) das folgende. Die Fragen stellte HENNING KRUMREY:
Frage: Herr Minister, was kann die deutsche Entwicklungspolitik, was können deutsche Unternehmen tun, um im arabischen Raum für Beruhigung zu sorgen?
NIEBEL: In allen Ländern, in denen es Unruhe gibt, haben wir überwiegend eine sehr junge, relativ gut ausgebildete Bevölkerung mit wenigen beruflichen Perspektiven. Deutsche Unternehmen können durch Direktinvestitionen und die Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen und von Wertschöpfungsanteilen im Partnerland eine große Rolle spielen. Und sie können durch Corporate Social Responsibility ein Beispiel geben. Das Engagement privater Unternehmen ist im übrigen der beste Weg, um Armut dauerhaft zu bekämpfen. Und mein Ministerium verfügt mit 6,2 Milliarden Euro über den zweitgrößten Investitionsetat im Bundeshaushalt.
Frage: Groß- und Außenhandelspräsident Anton Börner hat in der WiWo verlangt, die Regierung solle eine konzertierte Aktion mit interessierten Unternehmen starten. Sind Sie dabei?
NIEBEL: Ich habe diese Woche eine Road-Show durch die großen Industrie- und Handelskammern Deutschlands gestartet. Unter dem Titel „wirtschaft.entwickelt.global“ will ich zeigen, wie privatwirtschaftliches Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit auch der Gewinnerzielung nutzt. Wir wollen neben den bestehenden auch neue Instrumente ins Leben rufen, beispielsweise Finanzierungen bis fünf Millionen Euro für mittelständische Betriebe. Das darf keine Subvention sein, nur ein Anschub. Außerdem schafft unsere Politik mit ihren Bedingungen für die Partnerländer überhaupt erst den Rahmen für Privatinvestitionen, zum Beispiel durch Bekämpfung der Korruption, durch Dezentralisierung, durch Einbeziehen der Bevölkerung vor Ort, wie wir es beispielsweise in Ägypten tun.
Frage: Lohnt sich das für die Firmen?
NIEBEL: Entwicklungszusammenarbeit muss sich für Unternehmen lohnen, sonst würden sie diese Mittel gar nicht einsetzen. Nachhaltige Entwicklung bedeutet auch, dass der Staat nach einiger Zeit aussteigt. Mit unserer Rohstoff-Initiative helfen wir unseren Partnern, verbessern die Versorgung auf dem Weltmarkt und schaffen gleichzeitig Chancen für deutsche Anlagenbauer. Reine Charity kurbelt keine Entwicklungsdynamik an. Die Länder brauchen einen eigenen Privatsektor mit Wirtschaftswachstum, das die Stabilität gibt, die Menschen brauchen, um aus Erwerbseinkommen ihr Leben zu gestalten.
Frage: Hat sich die deutsche Entwicklungspolitik in der Vergangenheit zu sehr an der Schale Hirse orientiert und zuwenig an Investitionen, weil man die verwerflich fand?
NIEBEL: Es gibt auch heute noch eine Denkschule, die sagt, Entwicklungskooperation müsse uneigennützig sein. Ich sehe das anders: Je mehr Leute von Entwicklungskooperation profitieren, desto mehr werden sich beteiligen und desto schneller wird man das Ziel erreichen. Wer wirtschaftliche Interessen verfolgt, wird alles Nötige unternehmen, damit sein Engagement, sein Investment nicht verloren geht. Dass man zusätzlich, wo Not am Mann ist, auch gerne hilft, halte ich für selbstverständlich.
Frage: Besteht die Gefahr, dass Ihre Entwicklungspolitik zwar Wachstum in den Ländern schafft, aber despotische Regime stabilisiert?
NIEBEL: Klar ist: Alles, was der Bevölkerung nützt, wirkt auch stabilisierend. Man muss aber die Alternative sehen: Wenn ich ein Wasserprojekt einstelle, weil die Regierung schlecht ist, würden im Ergebnis die Menschen kein Trinkwasser haben – aber die Regierung würde das wenig stören. Trotzdem: In einigen Fällen habe ich bereits Budgethilfen konditioniert oder gestoppt.
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