Überwachungskameras und die Privatspäre

Da stand es schwarz auf weiß: >Dieser Betrieb wird von Überwachungskameras beobachtet. Also versuchen Sie gar nicht erst, uns zu bestehlen<. Man konnte auch tatsächlich an zahlreichen Stellen diese Überwachungskameras sehen, die nicht nur auf starren Stativen, sondern auch auf gelenkigen Gestellen installiert waren, so dass man das Gefühl hatte, dass einen die Kamera verfolgte. Die Idee mit den Kameras hatte der stellvertretende Geschäftsführer gehabt, der in der Betriebsversammlung auf die immer mehr zunehmenden Diebstähle hinwies, was eine lebhafte Diskussion auslöste. Da waren Argumente zu hören wie „das ist ein Eingriff in unsere Privatsphäre“ oder – der betreffende hatte Abitur und ließ dies bei jeder Gelegenheit durchblicken – „Überwachungskameras?, dann haben wir Orwells 1984 realisiert.“ Man war sich allerdings einig darüber, dass durch die Diebstähle ein wirtschaftlicher Schaden entstanden war, der nicht mehr aus der Portokasse bezahlt werden konnte. Als dann die Geschäftsführung darauf hinwies, dass mit Lohneinbußen gerechnet werden musste, wenn man diese Diebstähle nicht abstellen konnte, waren die moralischen Bedenken und die kostbare Privatsphäre plötzlich nicht mehr so wichtig. Der Betriebsratsvorsitzende, der immer eine roten Fliege zu seinen karierten Hemden trug, meinte ausführen zu müssen, er hätte schon vor über einem Jahr für Überwachungskameras plädiert, was aber Niemanden interessierte. Man ging auseinander, nachdem man beschlossen hatte, eine Kommission zu bilden die sich damit beschäftigen sollte, wo und wie viele Überwachungskameras aufgestellt werden sollten. Der Ausschuss sollte paritätisch mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzt werden. Dies geschah dann auch und es entstanden manche neue Freund- und Liebschaften. Und das alles verdankten die Betroffenen den Überwachungskameras. Angeblich, um die besten Standort für die Überwachungskameras auszusuchen. Das kostete natürlich Zeit und man munkelt, dass sie besonders den Keller ausgiebig erkundet hatten. Das war nur schwer nachzuvollziehen, weil da unten eigentlich nicht war, was einen Dieb reizen könnte. Oder doch?