Vom Plattenbau zum Wohnpark

(lifepr) Ober-Ramstadt, 15.04.2011 – In der größten Stadt Sachsen-Anhalts, Halle/Saale, bestand um 1960 enormer Wohnraumbedarf. Bedingt war dies durch die wachsenden chemischen Kombinate Buna und Leuna: Die Saalestadt vergrößerte sich um vier Plattenbausiedlungen. Im neuen Stadtteil Silberhöhe entstand zwischen 1979 und 1989 eine dichte Siedlung von Plattenbauten und Punkthochhäusern. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung lebten dort 39.000 Menschen in 15.000 Wohnungen.

Die damaligen Neubauten waren beliebt, weil sie über moderne Ausstattung wie zum Beispiel eine Zentralheizung verfügten. Im Laufe der Jahre veränderte sich jedoch die Wertschätzung dieser Wohnanlagen. Der Wegfall von Arbeitsplätzen führte zu zunehmendem Leerstand. Die aus den sozialen Problemen entstehenden Konflikte bedingten eine geringere Akzeptanz des gesamten Stadtteils. Die Entwicklung der Einwohnerzahl ist seitdem rückläufig. Sozialforscher erwarten, dass 2015 nur noch ca. 10.000 Bewohner auf der Silberhöhe leben werden.

Aus diesem Grund entschied man sich zum Abriss größerer Wohneinheiten. Gleichzeitig wird in verschiedenen Projekten an der kulturellen Aufwertung des Stadtteils gearbeitet. So entstand beispielsweise eine eigene Stadtteilzeitung. Die Silberhöhe ist durch Aufforstung auf einem guten Weg zur Waldstadt mit Naherholungswert.

Im sogenannten „8. Wohnkomplex“ der Silberhöhe befanden sich im Jahr 2006 insgesamt 684 Wohneinheiten im Besitz der Genossenschaft „Freiheit“ eG. Die sozialen Schwierigkeiten und das Image der Siedlung waren hinlänglich bekannt. Um dem entgegen zu wirken, gründete man eine Interessengemeinschaft. Diese beschloss zunächst eine Namensänderung ihres Wohnquartiers: Aus dem „Areal im 8. Wohnkomplex“ wurde der Wohnpark „Elsteraue“. Mehrfach im Jahr treffen sich Anwohner mit Mitarbeitern der Wohnungsgenossenschaft, um sich auszutauschen und bei eventuellen Problemen nach Lösungen zu suchen. Beschlossen wurde, in das Wohngebiet zu investieren und somit die Wohnqualität zu steigern. Hierfür wurden Modernisierungsmaßnahmen in drei Bauabschnitten über einen Zeitraum von drei Jahren geplant. Der Teilabbruch von 108 Wohneinheiten sollte das Gesamtbild auflockern und neue Blickachsen schaffen.

Im Rahmen der Planungsarbeiten wurde der optischen Aufwertung des Wohnparks „Elsteraue“ große Bedeutung beigemessen. Das Caparol FarbDesignStudio erhielt den Auftrag, ein umfassendes Farbkonzept zu entwickeln. Die Farbgestalterin Eva Helterhoff analysierte den Bestand und besprach die technischen Rahmenbedingungen mit ihrem in Halle wohnenden Kollegen Torsten Walther bei einem Termin vor Ort. Charakteristisch für die „Elsteraue“ ist die parallele Anordnung der Gebäude. Zwei straßennahe Riegel wurden von sechs auf vier Etagen rückgebaut. Diese werden halbseitig von zwei weiteren langgestreckten halbrunden Baukörpern eingefasst. Die unverändert sechsstöckigen Gebäude sind auf die angrenzenden Auen und den Fluss „Weiße Elster“ ausgerichtet.

Oberstes Gestaltungsziel war es, der Siedlung durch Farbe eine eigene Identität zu verleihen. Zunächst erhielten die Fassaden eine individuelle Farbigkeit, die Differenzierung schafft und die langen Hausfronten gliedert. So werden diese optisch verkürzt und unterstützen die Identifikation der Bewohner mit „ihrem“ Haus. Darüber hinaus verbinden gleiche Farbnuancen, einheitlich eingesetzt an bestimmten Bauelementen, die Gebäude zu einem Viertel. Sowohl der Sockel, als auch die vorgesetzten Loggien und das durch ein Farbband abgesetzte oberste Geschoss werden gleich behandelt.

Warme Farbtöne in unterschiedlichen Gelbnuancen prägen die Hauptflächen der Fassaden des ersten Bauabschnitts. Die Eckgebäude sind in einem markanten, erdigen Rot herausgestellt, um die Häuserzeilen einzufassen und zu begrenzen. Ein cremefarbener, horizontaler Abschluss aller Baukörper lässt die Gebäude weniger hoch und massiv erscheinen. Die Trennung zum hell abgesetzten Obergeschoss erfolgt durch ein kräftig blaues Farbband, welches einen ansprechenden Kontrast schafft. Vorgebaute Loggien greifen diese Farbigkeiten auf. So findet der helle Fassadenton auf den Rückwänden der Loggien wiederholte Verwendung und ermöglicht eine maximale Lichtausbeute in den dahinterliegenden Räumen. Die Rahmen der Loggien setzen sich dagegen in einem hell vergrauten und kräftigen Blau von der Fassade ab. Je nach angrenzender Fassadenfläche präsentieren sich die Balkone so kontrastreich vor den Baukörpern. Diese vertikale Betonung setzt einen Gegenpol zu der horizontalen Ausrichtung der Bebauung. Gleichzeitig sorgt das Zusammenspiel warmer Fassadentöne mit kühltonigen Loggien und Farbbändern für ein ausgewogenes Farbverhältnis.

Der zweite Bauabschnitt behält dieses Gestaltungssystem bei, übersetzt jedoch die warmen Fassadentöne in eine stimmige Abfolge aus Blaunuancen. Kombiniert mit dem erdigen Rotton werden vor allem die Eckbereiche akzentuiert. Dieses Prinzip wird auch auf den letzten Bauabschnitt übertragen. Hier ersetzen fein nuancierte Grüntöne die zuvor blauen Fassadenflächen.

Das im Frühjahr 2006 anhand von kolorierten Ansichten und einem animierten Film in Form eines Rundflugs über den Wohnpark präsentierte Farbkonzept fand in der Unternehmensführung der Wohnungsgenossenschaft „Freiheit“ eG großen Zuspruch. Die 1:1-Umsetzung führte zu einem stimmigen Gesamtergebnis, das allgemein sehr positiv beurteilt wird. Neben der optischen Aufwertung hat sich die Wohnqualität für die Mieter in vielerlei Hinsicht stark verbessert. Dazu beigetragen haben auch die Fassadendämmung, die Innensanierung der Treppenhäuser mit neuen Bodenbelägen und Wandbeschichtungen sowie die Modernisierung der Elektroinstallationen. Zudem schafft ein Türöffnungssystem mit Gegensprechanlage mehr Komfort und Sicherheit. Graffitikünstler verschönerten zusätzlich triste Durchgangsbereiche, wodurch dem Vandalismus erfolgreich vorgebeugt wird.

Im Jahr 2010 kamen die Sanierungsarbeiten zum erfolgreichen Abschluss. Dieser wurde mit einem großen Einweihungsfest und einer feierlichen Übergabe an die Bewohner begangen. Die Mieter haben die Zeit der Umbaumaßnahmen überstanden und genießen seither die positiven Neuerungen der „Elsteraue“.

All diese Maßnahmen führten zwangsläufig zu einer Mieterhöhung, die aber von den Mietern als moderat eingestuft und akzeptiert wird. Der Leerstand der Häuser ist äußerst gering – ein Zeichen, dass man sich hier wohlfühlt. Zur Beliebtheit des Wohnparks hat auch der Verein „Mit Nähe e.V.“ beigetragen, der als Begegnungsstätte in dem Quartier fungiert. Hier können sich die Bewohner treffen, gemeinsame Aktivitäten planen und umsetzen sowie Ferienprogramme und Betreuungsangebote für Kinder organisieren und nutzen. Die vielfältigen Möglichkeiten fördern den Zusammenhalt der Mieter, der sehr ausgeprägt ist. Viele der alt eingesessenen Grundmieter fühlen sich besonders heimisch und verbunden mit dem Wohnpark „Elsteraue“. Eine Bewohnerin dieser langjährigen Gemeinschaft ist Rosemarie Schippritt. Sie kommentiert die Sanierungsmaßnahmen mit den Worten: „Alles wunderschön gemacht!“ und spricht damit sicherlich vielen aus der Seele.226328 Vom Plattenbau zum Wohnpark