Kennen Sie Kleptokratie?

Manchmal braucht man ein Wort nur zu hören, und schon eröffnet sich eine ganz neue Welt des Verstehens. So ging mir das, als ich neulich in einem Facebookeintrag das Wort „Kleptokratie“ fand.

Es war mir neu, aber ich ahnte nichts Gutes. Auch wenn jemand das Wort noch nie gehört oder gar benutzt hat, kommt doch sofort die Assoziation zur Kleptomanie auf. So machte ich mich sofort auf die Suche nach der Bedeutung. Und ich sollte recht behalten.

Der Begriff „Kleptokratie“ ist eine Erfindung des Franzosen Patrick Meney. Er beschrieb damit 1982 in seinem Buch „La kleptocratie: La delinquance en URSS“ die Zustände in Russland unter Jelzin. Also eine noch recht neue Wortschöpfung.

Und doch klingt der Begriff so vertraut, als hätte es ihn immer gegeben.

Im engeren Sinne ist die Kleptokratie eine Herrschaftsform, bei der die Herrschenden willkürliche Verfügungsgewalt über Besitz und Einkünfte der Beherrschten haben und entweder sich oder ihre Klientel auf Kosten der Beherrschten bereichern. In der Geschichte war es fast immer so, dass die, die die Macht im Staate an sich rissen oder zugesprochen bekamen, sich und ihre Günstlinge zu Lasten der Beherrschten begünstigten.

Der aus dem Griechischen kommende Begriff Kleptokratie bedeute soviel wie „Herrschaft der Plünderer” oder „Diebesherrschaft“, entnahm ich Wikipedia. Und der Groschen fiel bei mir. Wie im Film lief die bundesrepublikanische deutsche Wirklichkeit an mir vorbei. Was heißt hier Demokratie? Wir leben schon lange in einer Kleptokratie.

Durch Schaffung von Gesetzen und Erfindung von neuen Finanzinstrumenten wurden im letzten Jahrhundert automatische Geldströme so gelegt, dass einige Wenige Geld verdienen können, ohne wirtschaften, das heißt einen echten Nutzen am Güter- und Dienstleistungsmarkt stiften zu müssen.

Damit sind immer mehr Störungen im Geldkreislauf und damit im Wirtschaftskreislauf aufgetreten. Durch zunehmende Steuern und Sozialabgaben wird versucht, die daraus resultierenden Probleme in der Geldverteilung und das immer krasser werdende Armutsgefälle zu korrigieren. Erfolg kann das nicht haben, bleibt doch die Ursache der Störung unangetastet und kann ungehindert weiter Schaden stiften. Man schafft dadurch nur noch mehr Ungerechtigkeiten.

Vor allem in südlichen und östlichen Staaten nennt man dieses Phänomen „Kleptokratie“. In den Demokratien Europas läuft über die Lobby-Wirtschaft eigentlich etwas ganz Ähnliches ab, auch wenn es viel heimlicher und weniger schnell geschieht. Typisches Zeichen einer Kleptokratie ist das Schwinden einer gesunden Mittelschicht.

Dabei gibt es diese Erscheinungen sowohl in kapitalistischen als auch in sozialistischen Systemen gleichermaßen. Grund dafür könnte sein, dass sich das Geldsystem quasi zu einer vierten Macht im Staat entwickelt hat, wodurch neben Exekutive, Legislative und Judikative ein ganz neuer Faktor entstanden ist, den es zu berücksichtigen gilt.

In einer Demokratie gehört deshalb das Geldsystem neben Exekutive, Legislative und Judikative, quasi als vierte Staatsgewalt, unter demokratische Kontrolle. Erst wenn linke und rechte Kräfte gleichermaßen beginnen, in ihren eigenen Reihen nach kleptokratischen Strukturen zu suchen und gegen diese vorzugehen, finden sich vielleicht Lösungen für die derzeitigen Probleme. „Soziale Unruhen“ entstehen nämlich immer dann, wenn zu viele Menschen nicht mehr angemessen am wirtschaftlichen Nutzen, den sie stiften, beteiligt sind. So wie hier.

Marion Oberender

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