Bundesgerichtshof zur internationalen Zuständigkeit bei Verträgen über Teilzeitwohnrechte

Karlsruhe (pressrelations) –

Bundesgerichtshof zur internationalen Zuständigkeit bei Verträgen über Teilzeitwohnrechte

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein nach österreichischem Recht, der seinen Mitgliedern Ferienwohnrechte in einer Hotelanlage verschafft. Mit „Zeichnungsschein“ vom 29. Mai 1995 trat der in Deutschland wohnhafte Beklagte dem Kläger bei und erwarb ein Ferienwohnrecht an einem bestimmt bezeichneten Appartement für die jeweilige Jahreswoche 50 zu einem Preis von 15.600 DM. Die Vereinsstatuten des Klägers sehen vor, dass die Mitglieder jährliche Beiträge zur Deckung der für die Erhaltung der Anlage erforderlichen Aufwendungen aufzubringen haben. Mit seiner Klage macht der Kläger die Jahresbeiträge für die Jahre 2003 bis 2005 in Höhe von insgesamt 1.206,37 ? nebst Verzugszinsen geltend. Das Amtsgericht hat die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen* (im Folgenden: EuGVVO) der Wohnsitzzuständigkeit (Art. 2 EuGVVO**) hier nicht entgegensteht, so dass die deutschen Gerichte international zuständig sind. Er hat das Berufungsurteil daher aufgehoben, und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zwar sind für Klagen, welche die Miete von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, nach Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 EuGVVO ohne Rücksicht auf den Wohnsitz ausschließlich die Gerichte des Vertragsstaats zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Der Beitritt des Beklagten zu dem klägerischen Verein ist aber nach der Gestaltung der hier in Rede stehenden Vereinsstatuten nicht als Miete einer unbeweglichen Sache im Sinne von Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 EuGVVO einzustufen.

Die Vorschrift gilt für Klagen, die die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen im eigentlichen Sinn zum Gegenstand haben, bei denen also zwischen den Parteien über das Bestehen oder die Auslegung des Vertrags, den Ersatz für vom Mieter oder Pächter verursachte Schäden oder die Räumung der Sache gestritten wird. Der Hauptgrund für die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Belegenheitsstaats besteht darin, dass sie wegen der räumlichen Nähe am besten in der Lage sind, sich genaue Kenntnis des Sachverhalts zu verschaffen und die insoweit geltenden Regeln und Gebräuche anzuwenden. Als Ausnahme von den allgemeinen Zuständigkeitsregeln darf die Vorschrift jedoch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Bundesgerichtshofs nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Ziel erfordert, da sie bewirkt, dass den Parteien die ihnen sonst mögliche Wahl des Gerichtsstands genommen wird und sie in bestimmten Fällen vor einem Gericht zu verklagen sind, das für keine von ihnen das Gericht ihres Wohnsitzes ist. Bei einem Vertrag über eine Clubmitgliedschaft, der es den Mitgliedern ermöglicht, ein Teilzeitnutzungsrecht zu erwerben, ist maßgeblich, ob der Zusammenhang zwischen dem Vertrag und der Immobilie, die tatsächlich genutzt werden kann, hinreichend eng ist, um die Einordnung des Vertrags als Miete einer unbeweglichen Sache zu rechtfertigen. Dabei kann von Bedeutung sein, ob die zu nutzende Immobilie im Einzelnen bestimmt ist und ob und in welchem Umfang der Vertrag die Erbringung zusätzlicher Leistungen vorsieht. Ein gemischter Vertrag, kraft dessen gegen einen von dem Kunden gezahlten Gesamtpreis eine Gesamtheit von Dienstleistungen zu erbringen ist, liegt außerhalb des Bereichs, in dem der in Art. 22 Nr. 1 EuGVVO aufgestellte Grundsatz der ausschließlichen Zuständigkeit seine Daseinsberechtigung hat, und ist kein eigentlicher Mietvertrag im Sinne dieser Vorschrift.

Nach diesen Grundsätzen ist ein enger Zusammenhang zwischen der Vereinsmitgliedschaft und dem Ferienwohnrecht hier nicht gegeben. Zwar ist die Immobilie, die aufgrund der Vereinsmitgliedschaft tatsächlich genutzt werden kann, durch die Bezeichnung eines Appartements und der Nutzungszeit im Einzelnen bestimmt. Hauptgegenstand des vorliegenden Vertrags ist aber nicht die Miete einer unbeweglichen Sache, sondern eine Vereinsmitgliedschaft. Vereinszweck ist nach den Vereinsstatuten neben der Überlassung von Ferienwohnrechten an die Mitglieder auch die Erhaltung und Verwaltung der gesamten Hotelanlage; die Mitglieder haben die Kosten für die Instandhaltung der Hotelanlage aufzubringen und die laufenden Ausgaben des gesamten Hotelbetriebs zu decken. Die dafür zu leistenden Beiträge treten zu dem ursprünglichen Erwerbspreis hinzu und haben im Verhältnis zu diesem ein erhebliches Gewicht. Die Vereinsmitgliedschaft umfasst deshalb Rechte und Pflichten, die über die Übertragung des Nutzungsrechts hinausgehen und den Vertrag auch wirtschaftlich entscheidend prägen. Da für die Beschlüsse des Klägers das Mehrheitsprinzip gilt, können den Mitgliedern zur Verfolgung der Vereinszwecke ferner auch Pflichten auferlegt werden, die eine Minderheit nicht billigt. Dieses ? jeder Vereinsmitgliedschaft immanente ? Risiko, dem im deutschen Recht durch die zwingende Vorschrift des § 39 BGB*** Rechnung getragen wird, wird hier dadurch noch erhöht, dass ? wie das Berufungsgericht festgestellt hat – die Mitgliedschaft in dem nach österreichischem Recht gegründeten Verein ursprünglich mindestens 99 Jahre dauern sollte und nunmehr nach einer Satzungsänderung frühestens nach 15 Jahren durch ordentliche Kündigung beendet werden kann. Auch durch dieses weitere, rechtlich wie wirtschaftlich gewichtige Element unterscheidet sich der hier zu beurteilende Vertrag von einem Mietvertrag im eigentlichen Sinne.

* Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 EuGVVO lautet: „Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig: für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie Miete und Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.“

** Art. 2 Abs. 1 EuGVVO lautet: „Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“

*** § 39 BGB lautet: „(1) Die Mitglieder sind zum Austritt aus dem Verein berechtigt. (2) Durch die Satzung kann bestimmt werden, dass der Austritt nur am Schluss eines Geschäftsjahrs oder erst nach dem Ablauf einer Kündigungsfrist zulässig ist; die Kündigungsfrist kann höchstens zwei Jahre betragen.“

Urteil vom 16. Dezember 2009 – VIII ZR 119/08
AG Oranienburg – Urteil vom 19. März 2008 – 22 C 83/06
Brandenburgisches Oberlandesgericht – Urteil vom 2. April 2008 – 3 U 84/07

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Aufklärungspflicht des Verkäufers beim Autoverkauf nach Erwerb von einem unbekannten Zwischenhändler

Karlsruhe (pressrelations) –

Aufklärungspflicht des Verkäufers beim Autoverkauf nach Erwerb von einem unbekannten Zwischenhändler

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Verkäufer eines gebrauchten Pkw den Käufer darüber aufklären muss, dass er das Fahrzeug kurze Zeit vor dem Weiterverkauf von einem nicht im Kfz-Brief eingetragenen „fliegenden Zwischenhändler“ erworben hat.

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus dem Kauf eines erstmals im Jahr 1994 zugelassenen Pkw Audi A 6 geltend, den er am 21. März 2004 für 4.500 ? vom Beklagten zu 1 über einen Gebrauchtwagenhändler ? den Beklagten zu 2 ? als Vermittler erworben hat.

Im Kaufvertragsformular ist unter dem vorformulierten Text „Gesamtfahrleistung nach Angaben des Vorbesitzers“ handschriftlich „201.000 km“ vermerkt; dies entspricht dem vom Tacho zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausgewiesenen Kilometerstand. Als Vorbesitzer waren aus dem Kfz-Brief nur der ursprüngliche Halter sowie der seit dem 16. Februar 2004 als Halter eingetragene Beklagte zu 1 ersichtlich. Dieser hatte das Fahrzeug jedoch über den Beklagten zu 2 von einem Zwischenhändler erworben, der beiden Beklagten nur als „Ali“ bekannt war und der das Fahrzeug seinerseits von einem weiteren, ebenfalls nicht als Halter im Kfz-Brief eingetragenen Vorbesitzer erworben hatte. Über diese Umstände wurde der Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages nicht informiert.

Der Kläger fuhr mit dem Pkw 21.000 km und veräußerte ihn im November 2006 zu einem Preis von 1.500 ? einschließlich Mehrwertsteuer. Er ist der Auffassung, die Beklagten hätten ihn über den Erwerb des Fahrzeugs von einem nicht näher bekannten Zwischenhändler aufklären müssen. In diesem Fall hätte er auf die vom Kilometerzähler angezeigte Laufleistung von 201.000 km nicht vertraut und das Fahrzeug deshalb auch nicht gekauft. Die tatsächliche Laufleistung des Pkw habe im Zeitpunkt des Kaufvertrages mehr als 340.000 km betragen.

Der Kläger hat Schadensersatz in Höhe von 7.009,39 ? (Rückzahlung des Kaufpreises sowie Erstattung von Reparaturkosten abzüglich Verkaufserlös und Entgelt für gezogene Nutzungen) nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage in Höhe von 6.754,24 ? nebst Zinsen stattgegeben; die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass beide Beklagte dem Kläger wegen Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht zum Schadensersatz verpflichtet sind. Bei Vertragsverhandlungen besteht für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten kann. Ein solcher Umstand liegt vor, wenn – wie hier – der Verkäufer kurz zuvor den Pkw von einem „fliegenden Zwischenhändler“ erworben hat. Denn ohne einen entsprechenden Hinweis geht der Käufer davon aus, dass der Vertragspartner das Fahrzeug von demjenigen übernommen hat, der als letzter Halter im Kraftfahrzeugbrief eingetragen ist. Hat der Verkäufer das Fahrzeug kurze Zeit vor dem Weiterverkauf selbst von einer Person mit unbekannter Identität erworben, liegt der Verdacht nahe, dass es während der Besitzzeit des unbekannten Voreigentümers zu Manipulationen am Kilometerzähler oder einer sonstigen unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen ist. Die Verlässlichkeit der Angaben zum Fahrzeug wird dadurch grundlegend entwertet. Insbesondere kommt der Kilometerstandsanzeige und der Aussage zur „Gesamtfahrleistung nach Angabe des Vorbesitzers“ hinsichtlich der tatsächlichen Fahrleistung keine nennenswerte Bedeutung zu.

Da der Beklagte zu 1 als Verkäufer sich zur Erfüllung seiner vorvertraglichen Pflichten des Beklagten zu 2 bediente, muss er sich dessen Verschulden wie eigenes zurechnen lassen. Der Bundesgerichtshof hat auch eine eigenständige Haftung des Beklagten zu 2 gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, 3, § 241 Abs. 2 BGB bejaht, weil dieser nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen als Gebrauchtwagenhändler bei der Vermittlung des Kaufvertrags zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1 als Sachwalter des letzteren besonderes Vertrauen in Anspruch genommen hat.

Urteil vom 16. Dezember 2009 – VIII ZR 38/09
LG Magdeburg – Urteil vom 17. April 2008 ? 11 O 2261/07
OLG Naumburg – Urteil vom 15. Januar 2009 ? 1 U 50/08

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