Geplante Obsoleszenz – European Green Deal reißt das Ruder um?

Immer mehr, immer schneller, immer rücksichtsloser? Aspekte des Kapitalismus nach 1945 – Strategie der geplante Obsoleszenz – Fehler eingebaut? Ein Betrag von Dr. Peter Riedi, Volkswirt, Lugano, Schweiz

Manche Philosophen verorten einen „Algorithmus des Bösen“, wenn sie über die Entwicklung des Kapitalismus nach 1945 sprechen. Andere Umschreibungen meinen, die Wirtschaft habe ein Monster erschaffen, der beispiellose wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg in der westlichen Welt setzte Kräfte frei, die auch negativ auf das System gewirkt haben. Worum geht es in der Diskussion?

Überproduktion, Umweltzerstörung und mangelndes Recycling waren die Folge

Die Politik, insbesondere die Europäische Union mit dem „European Green Deal“, versucht seit Dezember 2019 gegenzusteuern. Ziel: Bis 2050 ein Wachstum zu generieren, welches CO2-neutral ist und den Recycling- und Nachhaltigkeitsgedanken in den Vordergrund bringt. Wie kam es dazu? Der beispiellose wirtschaftliche Aufschwung führte dazu, dass das verarbeitende Gewerbe auf dem Vormarsch war und die Einkommen wie nie zuvor stiegen. Der amerikanische Traum übernahm die kulturelle Herrschaft spätestens seit Anfang der 1950er-Jahre in einer Realität mit einem Lebensstil mit Einfamilienhaus, Automobilen, Kleidung, Filmen, Musik-Restaurants. Die Welt entwickelte sich schnell in Richtung eines konsumorientierten Individualismus. Unter Berücksichtigung der neu entstehenden Medienkultur von Fernsehen, Radio und Illustrierten gab es eine neue kapitalistische Entwicklung, die in massiver Werbung endete. Diejenigen, die das Werbeverhalten der Industrie und Wirtschaft steuerten, wurden als „A Men“ bezeichnet. Es war ihre Aufgabe, bestimmte Verhaltensweisen zu erfinden, um das neue finanziell potente Individuum zu motivieren, sich als Verbraucher und Konsument zu generieren. Der Bürger war damit nicht nur Staatsbürger in einem rechtlichen Sinn, sondern wurde weiter in die Rolle eines immer auf mehr getrimmten Konsumenten gebracht. Spätere Kritiker bemerkten, dass es dabei nicht darum ging, echte Bedürfnisse zu befriedigen, sondern es wurde Aufgabe von kreativen Köpfen in die Gedanken der Verbraucher einzudringen und sie dazu zu ermutigen, ihre Einstellung zu Produkten zu verändern. Die Produktion wurde zunehmend von der Arbeitskraft abgekoppelt und durch die billige Herstellung und Zurverfügungstellung von Grundstoffen war es möglich, die Produktion von Konsumgütern immer weiter voranzutreiben.

Strategie der geplante Obsoleszenz – Fehler eingebaut

Eine der Strategien ist die geplante Obsoleszenz, die dazu führt, dass alles Konsumgüter waren, d. h., jedes Gut, das seitens des Kapitalismus dem Verbraucher zur Verfügung gestellt worden ist, verbraucht und nicht nur gebraucht worden ist. Der erste Staubsauger hielt bekanntlich von 1935 bis 1972, danach musste ein gut geführter Haushalt alle drei Jahre ein um ein neues Haushaltsgerät aufgestockt werden. Verbraucher, die alles haben, kaufen nichts mehr. Also kam die Idee der Obsoleszenz in das Gespräch, das bedeutet., der geplanten kurzen Lebensdauer eines Produktes, um den Konsumenten zu motivieren, ein Ersatzprodukt zu kaufen. Der amerikanische Ökonom John Kenneth Galbraith wies schon 1958 darauf hin, dass die Werbung Wünsche schaffen würde für Bedürfnisse, die es früher gar nicht gab.

Die damit verbundenen umweltschädlichen Folgen, die kurze Produktzyklen zur Folge haben, vergegenwärtigen sich nach einigen Jahrzehnten dieser Wirtschaftsart. So wies Richard Douthwaite schon 1992 darauf hin, dass dieser Wachstumswahnsinn schwerste ökologische Folgen habe und dass seit den 1950er Jahren nicht mehr die Produkte des Menschen im Vordergrund späterer Betrachtungen dieser Zeit sein werden, sondern Deponien und menschlicher Abfall.

Plötzlich unterlag alles der Mode: Küchen, Schränke, Gebrauchsgüter, sogar Häuser und so weiter und so weiter

Die Idee der Mode aller Ver- und Gebrauchsgüter rückte in das öffentliche Bewusstsein für weite Teile der Bevölkerung. Mode war bis dahin eine Veränderung aufgrund von technologischen oder von großen zeitanschaulichen Veränderungen gewesen. Nunmehr diente es als bewusstes Instrumentarium, um eine Konsum-Stimulation zu gestalten. Ähnlich wie bei der geplanten Obsoleszenz sind modische Aspekte teils fremdgesteuert und nicht aus dem Inneren der menschlichen Entwicklung geschuldet. Schnell wechselnde Mode impliziert den Begriff von „viel Abfall“. Einer der wichtigsten Theoretiker in diesem Bereich war der Neffe des Psychoanalytikers Sigmund Freud, Edward Bernays, der die psychologischen Erkenntnisse seines Onkels und die Theorie der Psychoanalyse nutzte, um Marketingstrategien zu entwickeln, die die Branchen bis heute beschäftigen.

Der Mensch ist und bleibt ein einfach zu manipulierendes Wesen?

Das berühmteste Beispiel ist Edward Bernays Einsatz im Rahmen seiner Tätigkeit für die amerikanische Tabakindustrie. In der Zeit der Übernahme dieser Aufgabe war es im westlichen Teil der Welt verpönt, dass Frauen Zigaretten, Pfeifen oder Zigarren konsumierten. Der Markt war also de facto zweigeteilt: auf der einen Seite rauchende Männer und auf der anderen Seite die der verschmähten Frauen. Durch eine geniale Strategie gelang es Edward Bernays, die Anzahl der abgesetzten Zigaretten zu verdoppeln. Wie?

Der Werbefachmann und Psychologe Edward Bernays bediente sich der Frauenwahlrechtsbewegung. Er spielte mit der Vorstellung, dass das Nichtrauchen der Frau ein Zeichen ihrer Unterdrückung sei. Seine Werbekampagne implizierte, dass soziale Stereotypen Frauen am Rauchen hinderten. Rauchen wurde zum Symbol der selbstbestimmten Frau. Dann ging es dem Feminismus nicht mehr um Gleichwertigkeit zwischen den Geschlechtern, sondern um die mögliche Herstellung von Gleichheit. Was sich, wie in dem Beispiel des Rauchens, in der Nacheiferung von teilweise toxischen männlichen Idealen zeigte. Wenn also Männer rauchen dürfen, dann dürfen es Frauen auch. Hier begegnet einem die Idee, dass dies moralisch verwerflich sein könnte. Die Verbindung jedenfalls zwischen dem Rauchen der Frauen und der Unterdrückung der Frau in ihrer gesellschaftlichen Rolle verdeutlichte die perfide Marktmacht von Massen psychologischen Analysen und Beeinflussungen durch ein Überbau System von Lebensform, die durch kulturelle Vorgaben der westlichen Welt, insbesondere durch Filme und Illustrierten, gepflegt wurden.

Fazit: Marketingstrategien neu gedacht und umgesetzt – Skalierbare Nachfrage von Ver- und Gebrauchsgütern als Schlüssel für den Erhalt des Kapitalismus?

Krawall-Marketing gab es schon damals. Eine engagierte Gruppe von Frauen stoppte 1929 die Ostersonntags Parade und fing einfach an, eine Zigarette zu rauchen. Die Tabakindustrie ging so weit, die Zigaretten vorübergehend als Fackeln der Freiheit zu ernennen. Der manipulierte Skandal hatte den gewünschten Effekt und verband das Rauchen mit der Ermächtigung der Frau. Die Tabakindustrie konnte hohe Gewinne verbuchen. Kaum etwas ist so einfach skalierbar wie die Produktion von Rauchwaren. Die erfolgreiche Vermarktung von Zigaretten als fortschrittliche Freiheitserklärung weiblicher Emanzipation setzt sich im Übrigen bis heute im Nahen Osten und in Asien fort. Diesen Strategien kann wohl nur ein starker rechtlicher Rahmen und Bildung entgegengesetzt werden. Immer mehr, immer schneller, immer rücksichtsloser? Damit diese Aspekte des Kapitalismus nicht zum Untergang des Systems führen.

V.i.S.d.P.:

Dr. Peter Riedi
Volkswirt & Edelmetallexperte

Der Verfasser ist für den Inhalt verantwortlich.

Englische Übersetzung:

Planned obsolescence – European Green Deal turns the tide?

More and more, faster and faster, more and more ruthless? Aspects of Capitalism after 1945 – Strategy of Planned Obsolescence – Mistakes Built In? A contribution by Dr. Peter Riedi, Economist, Lugano, Switzerland

Some philosophers locate an „algorithm of evil“ when talking about the development of capitalism after 1945. Other paraphrases suggest that the economy created a monster, that the unprecedented economic boom after World War II in the Western world unleashed forces that also had a negative effect on the system. What is the discussion about?

Overproduction, environmental destruction and lack of recycling were the result

Policymakers, especially the European Union with the „European Green Deal,“ have been trying to counteract this since December 2019. The goal: to generate growth by 2050 that is CO2-neutral and brings recycling and sustainability to the forefront. How did it come about? The unprecedented economic boom meant that manufacturing was on the rise and incomes were rising like never before. The American dream took over the cultural reigns at least from the early 1950s in a reality with a lifestyle of single-family homes, automobiles, clothing, movies, music restaurants. The world was rapidly evolving toward a consumerist individualism. Taking into account the newly emerging media culture of television, radio and magazines, there was a new capitalist development that ended in massive advertising. Those who controlled the advertising behavior of industry and business were called „A Men“. It was their job to invent certain behaviors to motivate the new financially potent individual to generate himself as a consumer and a consumer. The citizen was thus not only a citizen in a legal sense, but was further cast in the role of an increasingly trimmed consumer. Later critics noted that this was not about satisfying real needs, but became a task for creative minds to penetrate the minds of consumers and encourage them to change their attitudes toward products. Production was increasingly decoupled from labor, and cheap production and provision of basic materials made it possible to push the production of consumer goods further and further.

Strategy of planned obsolescence – built-in defects

One of the strategies is the planned obsolescence, which leads to the fact that everything was consumer goods, i.e., every good that has been provided to the consumer on the part of capitalism has been consumed and not just used. As is well known, the first vacuum cleaner lasted from 1935 to 1972, after which a well-managed household had to add a new household appliance every three years. Consumers who have everything buy nothing more. So the idea of obsolescence came into the conversation, that is, the planned short life of a product to motivate consumers to buy a replacement product. The American economist John Kenneth Galbraith pointed out as early as 1958 that advertising would create desires for needs that did not exist in the past.

The associated environmentally damaging consequences, which result in short product cycles, become clear after a few decades of this type of economy. Thus Richard Douthwaite pointed out already in 1992 that this growth madness had most serious ecological consequences and that since the 1950s no longer the products of humans would be in the foreground of later considerations of this time, but dumps and human waste.

Suddenly everything was subject to fashion: kitchens, wardrobes, consumer goods, even houses and so on and so forth

The idea of fashion of all consumer goods moved into the public consciousness for large parts of the population. Fashion until then had been a change due to technological or to major changes in time. Now it served as a deliberate set of tools to shape consumer stimulation. Similar to planned obsolescence, fashionable aspects are partly externally controlled and not owed from within human development. Rapidly changing fashion implies the notion of „lots of waste.“ One of the most important theorists in this field was the nephew of psychoanalyst Sigmund Freud, Edward Bernays, who used his uncle’s psychological insights and the theory of psychoanalysis to develop marketing strategies that still preoccupy industries today.

Man is and remains an easily manipulated being?

The most famous example is Edward Bernay’s efforts in his work for the American tobacco industry. At the time he took on this task, it was frowned upon in the western part of the world for women to consume cigarettes, pipes or cigars. The market was therefore de facto divided in two: on the one hand, men who smoked and, on the other, women who were spurned. Through an ingenious strategy, Edward Bernays managed to double the number of cigarettes sold. How?

The advertising expert and psychologist Edward Bernays used the women’s suffrage movement. He played on the notion that women not smoking was a sign of their oppression. His advertising campaign implied that social stereotypes prevented women from smoking. Smoking became a symbol of the empowered woman. Then feminism was no longer about equality between the sexes, but about the possible creation of equality. Which was demonstrated, as in the example of smoking, in the emulation of sometimes toxic male ideals. So if men are allowed to smoke, then women are too. Here one encounters the idea that this might be morally reprehensible. In any case, the link between women’s smoking and the oppression of women in their social roles highlighted the perfidious market power of mass psychological analysis and influence through a superstructure system of lifestyle cultivated by cultural prescriptions of the Western world, especially through movies and illustrated magazines.

Conclusion: Marketing strategies rethought and implemented – Scalable demand of consumer goods as the key to the preservation of capitalism?

Riot marketing already existed back then. A dedicated group of women stopped the Easter Sunday parade in 1929 and simply started smoking a cigarette. The tobacco industry went so far as to temporarily designate the cigarettes as Torches of Freedom. The manipulated scandal had the desired effect, linking smoking to women’s empowerment. The tobacco industry was able to post high profits. Few things are as easily scalable as the production of smoking products. Incidentally, the successful marketing of cigarettes as a progressive declaration of freedom of female emancipation continues to this day in the Middle East and Asia. These strategies can probably only be countered by a strong legal framework and education. More and more, faster and faster, more and more ruthless? So that these aspects of capitalism do not lead to the downfall of the system.

V.i.S.d.P.:

Dr. Peter Riedi

Economist & precious metals expert

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